Expertenwissen
Das Rennen um Nachhaltigkeit: Bauweisen im Vergleich
Beim Thema Nachhaltigkeit von Baustoffen lohnt sich ein Blick auf den Gebäude-Lebenszyklus, denn entscheidend ist die ehrliche CO2-Bilanz über alle Phasen eines Gebäudes hinweg.
Nachhaltigkeit: Wettbewerb der Bauweisen
Der Bau- und Wohnungssektor trägt eine besonders grosse Verantwortung für den Klimaschutz, denn das Einsparpotenzial an CO2 der Branche ist enorm. Den begehrten Titel „klimaverträglichste Bauweise“ beanspruchen allerdings mehrere Kandidaten für sich, darunter Porenbeton und Holz.
Holz konnte in den letzten Jahren ein nachhaltiges Image aufbauen. Porenbeton ist zwar ein mineralischer Baustoff aus natürlichen Rohstoffen, doch erscheint er vielen auf den ersten Blick weniger ökologisch. Ist das Bauen mit Holz jedoch tatsächlich nachhaltiger? Ein Blick auf den gesamten Gebäude-Lebenszyklus lohnt sich.
„Wir müssen endlich die Emissionen betrachten, die bei der Herstellung, beim Betrieb und beim Um- und Rückbau der Gebäude entstehen.“
Werner Sobek, Architekt und Bauingenieur (WELT.DE, 27.4.2022)
Die Diskussion um nachhaltiges Bauen: eine Scheindebatte?
In der öffentlichen Diskussion um die Nachhaltigkeit verschiedener Bauweisen machen es sich die Beteiligten oft einfach. „Es wird gerne der Eindruck vermittelt, das Bauen mit Holz sei grundsätzlich gut für die Umwelt. Das ist zwar leicht zu erklären, greift aber zu kurz“, sagt Torsten Schoch, Geschäftsführer der Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft mbH.
Die Rechnung lasse die 50 bis 80 Jahre nach der Herstellung des Baustoffes aussen vor, erläutert Schoch: „Über den Bau des Gebäudes, dessen Nutzung und Instandhaltung, den Abriss und die Wiederverwertung verliert selten jemand ein Wort. Dabei wäre es wichtig, nicht nur die CO2-Bilanz des Baustoffes selbst, sondern die des gesamten Lebenszyklus zu betrachten. Uns ist nicht damit geholfen, kurzfristig CO2-Emissionen zu senken. Wir müssen sie nachhaltig reduzieren. Dazu gehört, die Betrachtung der Emissionen bei der Beseitigung der Baustoffe nicht einfach in die Zukunft zu schieben und so zu tun, als gäbe es diese gar nicht.“
Was gehört in die Ökobilanz?
Eine ehrliche CO2-Bilanz eines Gebäudes nach den normativen Vorgaben umfasst die Lebenszyklus-Phasen A bis C:
Lebenszyklus-Phasen von Gebäuden
- Phase A1 A3: Herstellungsphase (Rohstoffbeschaffung, Transport, Produktion)
- Phase A4 A5: Errichtungsphase (Transport, Errichtung/Einbau)
- Phase B1 B7: Nutzungsphase (Nutzung, Instandhaltung, Instandsetzung, Austausch, Modernisierung, Energieverbrauch und Wasserverbrauch im Betrieb)
- Phase C1 C4: Entsorgungsphase (Rückbau/Abriss, Transport, Abfallbehandlung, Beseitigung)
- Optional: Phase D: Vorteile und Belastungen ausserhalb des Systemgrenze
Wer genauer hinschaut und die einzelnen Phasen bei einem Einfamilienhaus über einen Zeitraum von 50 Jahren vergleicht, dem offenbaren sich interessante Details.
Die Herstellungs- und Errichtungsphase: Baustoffproduktion und Bau
Holz nimmt bis zur Errichtungsphase CO2 im Wald auf. Mineralische Baustoffe wie Porenbeton, aber auch Kalksandstein oder Backstein und Beton setzen während des Herstellungsprozesses CO2 frei. So weit, so unvollständig. Denn so einfach ist es nicht. Auch bei der Verarbeitung von Holz im Bauprozess wird CO2 freigesetzt. Ebenso werden die Gipskartonplatten, die aus Brandschutzgründen im Holzbau notwendig sind, keineswegs CO2-neutral hergestellt. Und auch ein Holzhaus wird nicht auf Sand gebaut, sondern auf einer Bodenplatte aus Beton.
Porenbeton wird in einem geschlossenen Kreislauf hergestellt, der weniger Energie benötigt als vergleichbare Baustoffe. Für die Produktion wird schadstoffarmes Erdgas verwendet und durch Speicherung und Überströmen lässt sich z. B. der für die Härtung nötige Wasserdampf mehrfach nutzen. Dadurch spart Porenbeton bei der Herstellung, vor allem im direkten Vergleich zur Backsteinproduktion deutlich Energie ein. So wird Porenbeton bei einer relativ niedrigen Temperatur von 200°C dampfgehärtet, während beim Brennen der Backsteine Temperaturen von über 1000°C erzeugt werden müssen. Dies ist besonders in Zeiten der Energieknappheit zu hinterfragen.
Wiederaufbereitete Wertstoffe aus der Porenbeton-Produktion landen erneut im Produktionskreislauf. Zudem kann 60 % des entnommenen Grundwassers wieder zurückgeführt werden. Und auch ein grosser Teil des für die Produktion genutzten Rezepturwassers wird über Austrocknung wieder in die Natur zurückgegeben.
Die Nutzungsphase: Energieverbrauch ist entscheidend
Was viele nicht wissen: Der grösste CO2-Aufwand für ein Haus entsteht nicht beim Produzieren der Baustoffe oder beim Errichten des Gebäudes. Am meisten CO2 verursacht die Bereitstellung von Energie. So werden innerhalb von 50 Jahren für ein typisches Einfamilienhaus rund 200 Tonnen CO2 beansprucht. „Ein Haus in massiver Bauweise wie Porenbeton ist in der Lage, durch die effiziente Wärmespeicherfähigkeit einiges besser zu machen als Holz“, erklärt Torsten Schoch. Eine gute Dämmung hilft, den Heizenergieverbrauch zu verringern und damit Ressourcen zu schonen. Wer wenig heizt, verbrennt weniger fossile Brennstoffe und spart damit CO2-Emissionen ein.
Mit Porenbeton können Neubauten von Beginn an energieeffizient geplant und gebaut werden. Einsteinmauerwerk aus Porenbeton erreicht U‑Werte bis 0.15 W/(m²K) ohne Zusatzdämmung. Je nach Jahreszeit verringert das die Heizkosten und die Kühlenergie. In der Summe sind die Werte des Massivhauses im Vergleich zu Holz mit 10 bis 15 Tonnen CO2 besser. Das gleicht einen grossen CO2-Anteil aus der Herstellungsphase aus.
Instandhaltung: Wie lange halten die Produkte?
Porenbeton hat eine nahezu unbegrenzte Lebensdauer. In den Konstruktionen lässt sich ein ungefährer Unterschied von 10 Tonnen CO2-Emissionen zulasten des Holzes festhalten. Hier spielen Faktoren wie z. B. der Einsatz von Farbe (die häufiger erneuert werden muss), Folien und die begrenzte Lebensdauer der im Holzbau dominierenden Dämmsysteme eine Rolle.
Tatsache ist, dass Porenbeton über seine gesamte Lebensdauer CO2 bindet und nie wieder abgibt: 76 Kilo CO2 pro Kubikmeter werden dauerhaft gespeichert. Bezogen auf das Beispiel mit 50 Jahren sind es noch einmal 2 Tonnen, die in die Rechnung einfliessen.
Die Entsorgungsphase: Zurück in den Kreislauf
Bereits heute ist der Gebäudesektor für 50 % des Abfallaufkommens verantwortlich. Diesen Ressourcenverbrauch zu reduzieren, ist nur durch den Umstieg in eine regenerative Kreislaufwirtschaft möglich, die auf Abfallvermeidung basiert. Was passiert nun mit einem Haus, wenn es am Ende seines Lebenszyklus angekommen ist? Bei einem Holzbau lassen sich die meisten Teile nicht wiederverwerten: Alles Holz, was einmal im baulichen Einsatz war, wird heute zum allergrössten Teil thermisch verwertet.
Das klingt erstmal gut, bedeutet aber faktisch, dass das Holz schlicht verbrannt wird – und das über Jahrzehnte eingespeicherte CO2 wieder in die Atmosphäre entweicht.
Aufgrund der Kunststoffanteile in den Produkten, wie z. B. Klebstoffe oder aus Anstrichen, ist zudem „die Gesamtbilanz des Baustoffs Holz bei Weitem nicht so positiv, wie man es heute gern erträumt oder auch aus marktstrategischen Gründen suggeriert“, urteilte jüngst der bekannte Architekt Werner Sobek scharf. (Quelle: welt.de, 27.4.2022)
Porenbeton wird nicht verbrannt, im Gegenteil. Der Baustoff ist ein anschauliches Beispiel für ein regeneratives Kreislaufsystem. In seiner sortenreinen Form kommt Porenbeton als Material, so wie er ist, zurück in den Herstellungsprozess. Möglich ist das z. B. bei Produktionsresten oder Baustellen-Schnittreste aus dem Neubau, aber auch wenn er jahrzehntelang Teil einer Hauswand war. Er wird einfach zerkleinert und dann der laufenden Produktion zugefügt. Durch diese Kreislaufprozesse werden Abfall vermieden und gleichzeitig Ressourcen geschont.
Fazit: ausgezeichnete Ökobilanz
Über den gesamten Lebenszyklus betrachtet besteht im Vergleich der beiden Bauweisen ökobilanziell kein nennenswerter Unterschied. Mit anderen Worten, es gibt keinen Grund, die Holzbauweise per se als klimafreundlicher einzustufen als Porenbeton: ein Baustoff, der dank seiner Langlebigkeit und guten Wärmedämmung eine ausgezeichnete Ökobilanz erreicht. Prinzipiell haben alle Bauweisen eine Chance, einen klimaneutralen Zustand zu erreichen.
Entscheidend ist, wie gut es während des gesamten Lebenszyklus gelingt, CO2 zu reduzieren. Neben der Herstellung kommt es insbesondere auf die Nutzungsphase sowie die Entsorgung bzw. Wiederverwertung an.
Ausblick: Wie echtes nachhaltiges Bauen gelingen kann
Nachhaltiges Bauen ist mit jeder Bauweise möglich – wenn alle Baubeteiligten folgende Faktoren konsequent umsetzen und weiter optimieren:
- Hohe Ressourceneffizienz herstellen: Es sollte bereits bei der Planung darauf geachtet werde, der Natur wenig zu entnehmen und so mit natürlichen Ressourcen möglichst bewusst umzugehen.
- Geringe Beeinflussung des Klimas: Nicht nur der der CO2-Fussabdruck ist von Bedeutung, sondern auch weitere klimabeeinflussende Faktoren wie beispielsweise die Bodenqualität.
- Eine lange Lebensdauer der Materialien sicherstellen: Was heute eingebaut wird, sollte eine möglichst lange Lebensdauer haben – und nicht nach zehn oder 15 Jahren ausgetauscht werden müssen.
- Kreislaufwirtschaft: Ziel muss es sein, möglichst sortenreine Produkte beim Bau zu nutzen, um alles Produzierte auch zurücknehmen zu können und neue Produkte entstehen zu lassen.
Vor allem muss es gelingen, die öffentliche Diskussion ehrlich zu führen und sie nicht auf die Baustoffherstellung zu reduzieren.
„Gebäude sind nur dann nachhaltig, wenn sie es über den gesamten Lebenszyklus sind. Alles andere erzählt nur die halbe Wahrheit.“
Torsten Schoch, Geschäftsführer Xella Technologie und Forschung GmbH